Samstag, 22. Dezember 2007

Vicodin & Cuddy / Kapitel 3

Der Abend des ersten Tages war nun bereits hereingebrochen. Während Dr. House unruhig am Sessel in seinem Büro saß und mit seinem roten Ball spielte, ging Dr. Cuddy immer wieder in ihrem Büro auf und ab.
Beide waren gewissermaßen gleich angespannt, doch beide ahnten sie nicht, dass der jeweils andere sich genauso fühlte.
Cuddy konnte sich einfach nicht auf die Akten konzentrieren, die se sich eigentlich vorgenommen hatte, noch durchzugehen, bevor sie Schluss machen würde. Sie konnte einfach nicht stillsitzen, eine innere Aufgewühltheit zwang sie dazu, immer wieder aufzustehen, die paar Schritte zum Fenster zu gehen, hinauszuschauen und sich dann wieder seufzend zum Schreibtisch zu bewegen, wo, kurz nachdem sie saß, alles wieder von vorne anfing. Sie war neugierig, wie House mit seinen drei Fällen vorankam. Am liebsten wäre sie schnurstracks hinaufgegangen und hätte sich selbst davon überzeugt. Doch sie wollte auf House nicht wie ein aufgescheuchtes, nervöses Reh wirken. Sie wollte ihm keinen Anlass geben, wieder Scherze über sie zu machen. Sie wollte nicht hören, dass er sagte, sie würde Sex mit ihm wollen, um jeden Preis, auch wenn es vielleicht so war…
Moment mal, hatte sie da gerade eben gedacht, dass sie es wollte? Nein, nein, nein, sie wollte es nicht!! Cuddy seufzte. Das Schlimmste war, dass sie sich selber nicht mal sicher war, was sie wollte.
Wieder stand sie von ihrem Sessel auf und ging nachdenklich zum Fenster. Diesmal öffnete sie es, um etwas frische Luft hereinzulassen. Doch nicht einmal die kühle Luft konnte ihre Gedanken von der Wette abbringen und ihr einen klaren Kopf machen.

Sie ahnte nicht, dass es House ähnlich ging. Er war zwar nicht ganz so aufgewühlt wie sie, doch auch er machte sich schon seit geraumer Zeit seine Gedanken. Langsam kamen nämlich immer wieder Zweifel in ihm hoch. Sein Team war gut, das war klar, er selber war noch besser, doch würde das für drei Fälle reichen?
Ungeduldig schaute er auf seine Uhr. Sollten Cameron, Foreman und Chase nicht schon längst die Ergebnisse ihrer Tests haben? Er hatte ihnen gesagt, dass es dringend war, dringender als je zuvor, doch wer wusste schon, ob sie sich nicht doch zwischendurch den einen oder anderen Kaffee genehmigt hatten?
Vielleicht waren auch Komplikationen aufgetreten? Möglicherweise gab es neue Symptome, die seine Vermutungen zerstreuten?
Der rote Ball fiel auf den Boden und rollte davon. House öffnete seine Vicodindose und nahm zwei der darin befindlichen Tabletten heraus.
Es war erst ein Tag vergangen, im Grunde gab es noch keine Anzeichen zur Besorgnis. Es würde sicher alles gut ausgehen. Andernfalls würde er alt aussehen…
Falls die Tests seines Teams alle negativ waren, hatte er sich schon für jeden einzelnen Fall eine andere Vorgehensweise zurechtgelegt. Hatte einen Plan B und sogar einen Plan C entwickelt. Ja, er hatte wirklich ganze Arbeit geleistet und den ganzen Nachmittag lang hin und her überlegt, was für Krankheiten es noch sein konnten. Hatte sogar ganz kurz einen der Patienten, die mit dem Ausschlag besucht.
Ja, er hatte wirklich getan, was in seiner Macht stand. Trotzdem war da dieses Gefühl in ihm, das ihn unruhig machte und extrem nervig war. Vielleicht sollte er es sich das nächste Mal besser überlegen, bevor er leichtfertig in einem Moment der Selbstüberschätzung eine Wette einging.

Cuddy zog ihren Mantel vom Ständer und zog sich an. Die Akten lagen immer noch ungelesen auf ihrem Schreibtisch und würden das wohl auch noch eine Weile bleiben. Denn Lisa Cuddy konnte sich darauf jetzt wirklich nicht konzentrieren. Kurzerhand hatte sie beschlossen, Schluss zu machen und nach Hause zu fahren. Es hatte einfach keinen Sinn mehr, dass sie in ihrem Büro saß und auf und ab ging, ständig mit dem Gedanken spielte, nach oben zu gehen, um House zu beobachten und zu sehen, wie weit er war.
Vielleicht kam sie wieder auf andere Gedanken, wenn sie zuhause war und die Umgebung eine andere war. Ein gemütlicher Abend vor dem Fernseher würde sie bestimmt ablenken. Sie schloss das Büro ab und verließ dann das Krankenhaus.

Fast im selben Moment, als Cuddy ihr Büro verließ, kam Cameron in das Büro von House. Dieser schaute auf. Erwartungsvoll musterte er sie. „Und??“
Cameron ging ein paar Schritte auf ihn zu. „Sie hatten Recht mit Typhus. Ich habe die Therapie gleich gestartet, nachdem ich die Ergebnisse hatte.“
„Ha!“, machte House triumphierend und fühlte sich gleich viel besser. Er hatte sich nicht überschätzt, er war ein verdammt guter Diagnostiker und drei Fälle in drei Tagen waren kein Problem für ihn. Er fühlte sich wieder unheimlich bestärkt.
Wenige Minuten später betrat Foreman das Büro.
Er ließ House nicht lange warten und sagte: „ Er hat FSME.“ Um seine Aussage zu unterstreichen, hielt er auch noch eine Pinzette hoch, an der eine winzige Zecke zappelte. „Ich habe sogar die hier gefunden“, meinte er.
House grinste nur. Zwei von drei Fällen waren abgehakt und wenn seine Glückssträhne weiter anhielt, würde auch bald Chase kommen und den dritten Fall gelöst haben. Und das alles innerhalb eines Tages. Das war phänominal, dafür hatte er sich eigentlich einen Orden verdient. Oder zumindest zwei Monate Ferien. Er freute sich schon darauf, Cuddys dummes Gesicht zu sehen, wenn sie begriff, dass es ihm gelungen war, drei Fälle innerhalb eines Tages zu lösen.
„Tja, sieht schlecht aus für dich, Cuddy…“, murmelte er zufrieden, als Cameron und Foreman wieder gegangen waren. Dann schaute er auf die Uhr. Es war acht und er hoffte, dass Chase bald kam, damit alles erledigt war.
House musste allerdings noch eine halbe Stunde warten, bis der blonde Australier sein Büro betrat.
House streckte seine Hand aus und zeigte auf ihn. „Lassen sie mich raten… Influenza?“
Doch Chase schüttelte seinen Kopf. „Negativ auf Influenza, ebenso auf Ebola und Hepatitis.“ House machte einen nachdenklichen Gesichtsausdruck. „Hm…“
Das war jetzt eben nicht ganz die Antwort gewesen, die er sich erhofft hatte. „Holen sie mir Cameron und Foreman her.“
„Die sind vor ein paar Minuten nach Hause gegangen.“, gab Chase zurück und schaute seinen Chef an, als täte es imh Leid, diese Nachricht zu überbringen.
House verzog das Gesicht. Er hätte sie natürlich auf der Stelle wieder herbestellen können, doch er fragte sich, ob das sinnvoll war. Es war bereits spät und morgen war auch noch ein Tag. Wenn die 10 jährige nicht unbedingt in Lebensgefahr schwebte, war es noch nicht so dringend.
„Hat sie neue Symptome?“, wollte er von Chase wissen. Dieser schüttelte den Kopf. „Soweit ich weiß nicht. „
„Dann machen wir morgen an dem Fall weiter. Sie wird uns schon nicht wegsterben und ich denke, bei meinem derzeitigen stand kann ich Cuddy einen kleinen Vorsprung gönnen…“, meinte House selbstischer und stand auf.
„In Ordnung“, sagte Chase, der House sowieso nur selten widersprach.
Damit war die Sache geklärt und die beiden machten sich auf den Heimweg.


Als House am nächsten Morgen das Diskussionszimmer betrat, saßen Cameron, Chase und Foreman schon auf ihren Plätzen. House marschierte zielstrebig zu seiner weißen Tafel und hängte seinen Stock drauf.
„Unser Problemkind“, als er das sagte, warf er einen vielsagenden Blick auf den armen Chase, „hat es als einziger geschafft, keine richtige Diagnose zu stellen. Aber ich denke, zu viert werden wir das ja wohl bis um Mitternacht hinbringen, andernfalls… ja, sagen wir einfach, werde ich eine unangenehme Nacht haben und meinen Frust dann an ihnen allen auslassen.“
Die drei starrten House etwas verdutzt an. Sie hatten keine Ahnung, wovon er eigentlich sprach.
„Wir haben Erbrechen und hohes, gleich bleibendes Fieber. Test haben Influenza, Ebola, sowie Hepatitis ausgeschlossen. Was fällt ihnen dazu noch ein?“, fragte House und öffnete seinen schwarzen Stift.
Einen Moment lang herrschte Schweigen, alle dachten nach.
„Könnte Marburg –Fieber sein“, sagte Cameron schließlich nach einer Weile. House überlegte kurz. „Nicht schlecht, machen sie einen Test.“
Einige weitere Krankheiten wurden diskutiert, dann aber bald ausgeschlossen.
Am Ende blieben das Marburg- Fieber und ein MRT, das gemacht werden würde.
Der Vormittag war damit sehr schnell vergangen und House ging Mittagessen, während er die kläglichen Symptome noch einmal im Kopf durchging. Sehr viel war es ja wirklich nicht und es sah verdammt nach einer einfachen Grippe aus.

In der Zwischenzeit schlich eine neugierige Cuddy in der Nähe des Diskussionszimmers herum. Sie war darauf bedacht, nicht House über den Weg zu laufen, da sie sich seine Kommentare wirklich sparen konnte. Stattdessen wollte sie einen seiner Assistenten erwischen, um ihn auszufragen.
Sie musste auch gar nicht so lange warten, bis Chase ihr über den Weg lief.
Ganz unauffällig fragte sie ihn, wie es denn mit den drei Fällen voranging. Sie hörte, dass House bereits zwei der drei Fälle gelöst hatte und nur noch der dritte ein wenig Sorgen bereitete. Allerdings hatte er dafür auch noch bis Mitternacht Zeit.
Sie bedankte sich bei Chase für die Auskunft und huschte dann zurück in ihr Büro. Bereits zwei Fälle geschafft, nur noch einer übrig… das würde House locker schaffen, wenn er in dem Tempo weitermachte. Cuddy war sich aber nicht sicher, ob ihr ein Stein vom Herzen fallen sollte oder nicht. Es war irgendwie erleichternd, doch andererseits war sie auch unzufrieden mit der Tatsache, wie sie etwas erschrocken feststellen musste.

House hatte bald zwei weitere Schläge einzustecken. Cameron teilte ihm mit Bedauern mit, dass die Patienten nicht am Marburg- Fieber litt und bald war klar, dass auch das MRT nichts ergeben hatte.
Also noch mal alles genau überdenken.
House ging auf und ab, während Cameron und Foreman ihm dabei zusahen und selbst überlegten , was sie übersehen haben könnten.
Nach einer Weile kam Chase ins Zimmer. „Wir haben neue Symptome!“, platzte er gleich heraus und schaute House an.
„Hervorragend!“, antwortete dieser und ging zu seiner Tafel, „ und sagen sie mir auch, welche, wenn ich sie ganz lieb darum bitte?“
„Schlimme Kopfschmerzen, Halsweh und trockener Husten!“, zählte Chase auf, „ und ihre Temperatur liegt momentan bei 40 ° „
House nickte und notierte die neuen Symptome auf der weißen Tafel. Dann schien er wieder zu überlegen.
„Checken sie ihr Pankreas und wenn das in Ordnung ist, testen sie auf Gastroenteritis.“, ordnete House an und schaute dann auf seine Uhr, „Halt! Lieber beides gleichzeitig, uns rennt die Zeit davon!“
Cameron, Chase und Foreman verließen das Diskussionszimmer und House blieb nachdenklich zurück.
Die Zeit verging, und sie verging definitiv zu schnell. Auch die Tests brauchten ihre Zeit.
Und was das Schlimmste war, war die Tatsache, dass die Tests alle wieder negativ waren. Die Pankreas der Patientin war normal, sie hatte nicht Gastroenteritis und auch der Typhustest, den Foreman noch gemacht hatte, war negativ.
House sah nicht gerade glücklich aus, als seine Assistenten ihn darüber aufklärten. Er konnte überlegen, Ball spielen und Stöckchen drehen, solang er wollte, die Wahrheit war, dass er nicht wusste, was der Patientin fehlte. Ihr Zustand war nicht kritisch. Ihre Organe arbeiteten alle noch, was ihr zu schaffen machte, war lediglich das hohe Fieber, die Kopfschmerzen und der Husten, aber nichts, was akut lebensbedrohlich gewesen wäre. Diesmal war das Kritische an der Sache etwas ganz anderes. Nämlich dass Dr. Gregory House langsam die Zeit davon rannte. Nicht die Zeit der Patientin, wie sonst immer, nein, diesmal war es seine Zeit.
Er schaute auf die Uhr. Noch vier Stunden. Die waren schnell um. Nachdenken, nachdenken! Er konnte, er durfte nicht verlieren.
Wieso hatte er keine Lösung? Er brauchte eine.
Er überlegte fieberhaft. Er kam auf nichts. Sein Team lieferte auch keine brauchbaren Vorschläge. Sollte es doch etwas bakterielles sein? Eher unwahrscheinlich, da keins der Antibiotika angeschlagen hatte. Doch welche Virusinfektion lieferte noch diese Symptome?
„Es bringt nichts… wir müssen abwarten, bis sich was ändert.. wir wissen einfach zu wenig.“, sagte Chase nach einer Weile, woraufhin House ihn wütend anfuhr.
„Abwarten? Dafür haben wir aber keine Zeit!!“
„Wieso nicht?“, fragte Cameron etwas argwöhnisch, „ Sie ist erst den zweiten Tag hier, sie ist nicht in Lebensgefahr und…“
„Der Fall muss bis heute Mitternacht gelöst sein! Kapiert das denn keiner von ihnen?“, schrie House etwas aufgebracht und seine drei Assistenten zuckten etwas zusammen.
Weder Cameron, noch Chase oder Foreman wagten es, nachzufragen, wieso. Es ging anscheinend um eine Wette, soviel konnten sie sich schon denken und anscheinend war der Wetteinsatz ziemlich hoch.
Plötzlich, von einer Minute auf die andere, änderte sich House` Gesichtsausdruck. Er hellte sich etwas auf.
„Malaria! Testen sie sofort auf Malaria!“, herrschte er sein Team an. Foreman nickte und verließ, gefolgt von Cameron und Chase, den Raum.
House setzte sich auf seinen Sessel, um das Ergebnis des Tests abzuwarten…

….

Es war dreiviertel Zwölf und Cuddy saß nervös in ihrem Büro. Dass House noch nicht mit breitem Grinsen aufgetaucht war und seinen Urlaub eingefordert hatte, verwunderte und beunruhigte sie zunehmend. Nur noch eine Viertelstunde, dann war seine Zeit um.
Hatte er den Fall inzwischen gelöst?? Sie wusste es nicht, doch sie wollte jetzt unbedingt Gewissheit.
Sie holte tief Luft, stand dann auf und verließ ihr Büro.
Wenig später verließ sie den Aufzug und marschierte mit klopfendem Herz Richtung House´ Büro. Sie wusste nicht, was sie erwarten würde… Sie wusste es wirklich nicht, und das machte die ganze Sache so unterträglich..

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